Oma Käthe (1898 - 1940), Friedrichschule Stefanienstr. 33

Mir ist wichtig für die Verlegung des Stolpersteins für meine Großmutter Katharina, dass sie mit ihren Lebensdaten korrespondiert. Geboren am 21. November 1898 in Lahr und ermordet am 26. November 1940 in Grafeneck, kann ich mit der Schulleitung und dem Kollegium der Lahrer Friedrichschule den 22. November 2006 als Termin vereinbaren, an dem das Kleindenkmal im Rahmen einer Gedenkfeier der Öffentlichkeit übergeben wird.

Als zehntes von elf Kindern kommt sie am 21. November 1898 in Lahr zur Welt und wächst im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb auf. Sie gilt als fröhliches Kind und begabte Schülerin. Der 1896 geborene Bruder Wilhelm verunglückt tödlich im Alter von 18 Jahren. Im September 1915 begibt sie sich für drei Monaten in Stellung bei einer Lahrer Familie und bekommt dort Eiterungen an den Händen.

Am 3. März 1923 heiratet sie den aus Mietersheim stammenden Holzbildhauer Hermann K. Am 14. Dezember 1924 stirbt ihr Vater Andreas. Genau zwei Jahre nach der Eheschließung bringt sie ihren ersten Sohn Hermann nach einer schweren Geburt zur Welt. Am 20. Mai 1925 wird sie erstmals „fürsorglich“ für ein halbes Jahr in die Heil- und Pflegeanstalt Illenau aufgenommen. Es folgen ein Sanatoriumsaufenthalt im Kloster Erlenbad und die Geburt des zweiten Sohnes am 23. April 1929. Erneut stellen sich depressive Verstimmungen ein, sodass sie am 29. September 1931 in die Heil- und Pflegeanstalt Emmendingen eingewiesen wird. Die Diagnose, gestellt vom Krankenhaus Lahr, lautet Schizophrenie. Vermutlich jedoch leidet sie an einer Wochenbettdepression. Ein Hinterfragen der ärztlichen Diagnose findet jedoch nicht mehr statt.

Noch einmal kann sie die "Heil- und Pflegeanstalt Emmendingen" am 23. April 1932 für drei Monate verlassen, bevor sie am 25. Juli 1932 dauerhaft ihren längsten und letzten Aufenthalt antritt. Vermutlich wurde sie nicht zwangssterilisiert, da dieser Eingriff nur an entlassungsfähigen Patientinnen und Patienten vorgenommen wurde. Sie erlebt Weggesperrtsein und wird medizinischen Versuchen unterzogen, über die sie sich beim Arzt beklagt, allerdings ohne Erfolg. Krankheitseinsicht hat sie nie gezeigt.

Am 6. Juli 1934 lässt sich ihr Mann von ihr scheiden und heiratet im Mai 1935 erneut. Nachdem ihre Mutter Salomea am 31. Dezember 1937 stirbt und ihre Geschwister mit Ausnahme einer Schwester nicht bereit sind, sie ggf. bei sich aufzunehmen, bleibt ihr nur noch die Möglichkeit in der Anstalt zu bleiben. Nachdem die Krankenakte zu Beginn Einträge im Abstand von zwei bis drei Wochen enthält, finden sich von 1937 bis zum letzten Eintrag noch ganze neun Kurzberichte. Ihr Gesundheitszustand scheint sich stabilisiert zu haben. Sie besorgt sich praktisch völlig selbst. Eine Entlassung kommt dennoch nicht zustande. Der letzte Eintrag lautet schließlich „verlegt aus planwirtschaftlichen Gründen“.

Die Vorgänge um die Abholung von Patienten, die nicht mehr zurückkehren, bleiben auch ihr vermutlich nicht verborgen. Noch einmal schreibt sie an ihre Geschwister, sie mögen sie herausholen. Die grauen Busse würden immer wieder vorfahren. Ihre Schwester Luise, die sich als Näherin auf landwirtschaftlichen Gehöften im Schwarzwald ihren Lebensunterhalt verdient, ist abwesend, als ihre Bitte bei ihr ankommt. Nach deren Rückkehr ist der grausame Akt bereits vollzogen. Gewissensbisse müssen Luise zeitlebens geplagt haben.

Am 26. November 1940 fährt der graue Bus der „Gemeinnützigen Krankentransport GmbH“ vor, um neun Frauen und neun Männer abzuholen. Sie stehen auf der Transportliste 147. Meine Großmutter ist an 15. Stelle erwähnt, reduziert auf die entmenschlichte Nummer „Z 33.105“. Wir wissen nicht, ob sie sich gegen die Maßnahme gewehrt hat. Emmendinger Patientinnen und Patienten sollen bei ihrer Abholung „Hitler, komm raus, du Mörder“ oder „zeig dich, Hitler, du Mörder“ geschrieen haben.

Mehrere Stunden dauert die Fahrt nach Grafeneck im grauen Bus der früheren Reichspost mit den Milchglasscheiben. Danach wird der Tötungsakt durch den „Euthanasie“-Arzt Dr. Schumann wie bereits im Vorspann beschrieben vollzogen.

Die Nachricht vom Ableben meiner Großmutter soll meine Stiefgroßmutter mit den Worten kommentiert haben, der Hitler habe ein gutes Werk getan, jetzt sei endlich Ruhe.