Anneliese Pollak geb. Lederer (1922 -200?), Lotzbeckstr. 15

Anneliese Pollak geb. Lederer erblickt am 8. Juli 1922 wie ihr Vater Leopold in Diersburg das Licht der Welt und lebt zusammen mit ihrer Familie in Lahr.

Ab Ostern 1933 besucht sie die Oberrealschule, Bölckeschule genannt und Vorläufer des heutigen Max-Planck-Gymnasiums Lahr und untergebracht im Gebäude des heutigen Clara-Schumann-Gymnasiums. Nach Ostern 1937 ist sie als Jüdin an der Schule nicht mehr geduldet. Auf der noch existierenden Karteikarte steht vermerkt, sie habe die Schule verlassen, und sich zur Handelsschule Lahr abgemeldet. Tatsächlich aber besucht sie für 1 ½ Jahre das jüdische Pensionat Wiehler in Konstanz am Bodensee und kehrt danach wieder nach Lahr zurück, da der Vater nicht mehr in der Lage ist, für die Pensionatskosten aufzukommen. Ihr Berufswunsch war, Kinderärztin zu werden oder zumindest gemäß ihrer Begabung Pharmazie oder Chemie zu studieren.

1938 findet Anneliese Lederer für wenige Monate bei ihrer Großtante Thekla Bloch in Berlin eine Bleibe. Es war der Wunsch ihrer Eltern wegen der zunehmend unsicheren Lage. Mit einem Kindertransport kommt sie in die Niederlande und erlebt dort Freiheitsberaubung und Quarantäne zunächst in Amsterdam, danach in Rotterdam. Eine Pflegefamilie in Arnheim nimmt sie bei sich von 1940 bis 1943 auf. Sie besucht eine Klosterschule und absolviert eine Ausbildung zur Krankenpflege in Invaliden- und Altersheimen. Am 25. Mai 1943 wird sie „verhaftet“ und ins KZ Westerbork verschleppt. Die Deportation ins KZ Theresienstadt erfolgt am 20. Januar 1944 mit dem Transport 388/XXIV/2. Im Lager leistet sie Hilfsarbeit. Während des Krieges erhält sie von ihren Eltern über das Rote Kreuz aus Gurs einen Brief. Es ist das letzte Lebenszeichen von ihnen. Auch von ihren Brüdern hört sie nichts mehr.

Im KZ Theresienstadt lernt sie den aus Prag stammenden Ingenieur Gustav Pollak kennen. Auf ihn habe sie sich immer verlassen können. Er war Bediensteter in der Kommandozentrale und hat im Lager die Heizung instand gesetzt und repariert. Das habe sonst keiner gekonnt. Er nennt sie „Lischka“ wegen ihres roten Haars, was im Tschechischen Fuchs bedeutet.

Beide überleben das Konzentrationslager, werden befreit und heiraten am 12. Juli 1945 in Prag. Doch der Lageraufenthalt hinterlässt bei beiden tiefe gesundheitliche Spuren. Durch harte Arbeit, mangelhafte Ernährung und unvorstellbare hygienische Verhältnisse bekommt Anneliese Pollak Eiterungen an den Oberarmen. Gustav Pollak zieht sich 1943 irreversible Verletzungen beider Augen zu. Er leidet unter Angstzuständen, Schlaflosigkeit und schweren Depressionen. Die Entschädigungsbehörden wollen zunächst zwischen seinem Krankheitsbild und dem Lageraufenthalt keinen Zusammenhang erkennen.

1947 lebt das Paar in Brüssel, 1950 in Stockholm, wo Anneliese Pollak als ungelernte Industriearbeiterin tätig ist. Ihr Entschädigungsverfahren auf Wiedergutmachung zieht sich über 15 Jahre hin. Behörden und Rechtsanwälte verdienen.

1966 siedeln Anneliese und Gustav Pollak ins belgische Turnhout zu seiner Schwester um. Beide verbindet die Erfahrung des Lageraufenthalts. Es gelingt ihnen, eine tiefe, lebenslange Beziehung aufzubauen. Gustav Pollak stirbt am 6. April 1983 in Turnhout. Anneliese Pollak überlebt ihn um mehr als zwanzig Jahre.